Haben Sie eine zollrechtliche Frage, die Sie schon immer einmal stellen wollten? Dann haben wir ab sofort etwas für Sie! In unserer neuen Rubrik „Frag den Anwalt“ beantwortet Rechtsanwalt Torsten Kühl Ihre Fragen und gibt wichtige Tipps für den Unternehmensalltag im rechtlichen Dschungel der Zoll-Welt. Senden Sie uns gern Ihre Fragen an fragdenanwalt@zoba.de
Wir weisen ausdrücklich darauf hin, dass im Rahmen dieser Rubrik keine Rechtsberatung stattfindet.
Ausgangssituation
Grundlage des in Zollanmeldungen anzugebenden Zollwertes ist der Kaufpreis. Im Zollwertrecht heißt er Transaktionswert. Bei der Berechnung des Transaktionswertes sind auch zollwerterhöhende Hinzurechnungen oder zollwertmindernde Abzüge zu beachten.
Zollbehörden können vom Anmelder zunächst zusätzliche Auskünfte verlangen, wenn sie begründete Zweifel daran haben, dass der angemeldete Transaktionswert nicht dem zu zahlenden Transaktionswert entspricht. Werden die begründeten Zweifel nicht ausgeräumt, bestehen sie also trotz der vom Anmelder beigebrachten weiteren Auskünfte fort, können die Zollbehörden entscheiden, dass der Transaktionswert anhand einer nachrangigen Methode ermittelt wird.
Verfahrenstechnisch handelt es sich um ein zweistufiges Vorgehen. Zunächst muss ein Hauptzollamt entscheiden, ob begründete Zweifel am angemeldeten Transaktionswert vorliegen und diese gegenüber dem Anmelder vortragen, woraufhin dieser weitere Auskünfte vorzulegen hat. Sodann prüft das Hauptzollamt, ob die begründeten Zweifel fortbestehen. Sollten sie fortbestehen, hat das Hauptzollamt schließlich zu entscheiden, ob der Transaktionswert auf Grundlage einer nachrangigen Methode zu ermitteln ist.
Anders als der Eindruck, der durch das Vorgehen der Hauptzollämter in der Praxis häufig entsteht, führen anfängliche begründete Zweifel (sofern sie überhaupt bestehen) nicht zwingend zu einer Änderung des angemeldeten Transaktionswertes und damit zur (höheren) Festsetzung von Einfuhrabgaben.
Begründete Zweifel
Häufig argumentiert ein Hauptzollamt zum Vorliegen von begründeten Zweifeln nur damit, dass der Transaktionswert weniger als 50 % der Durchschnittspreise für die betreffende Ware beträgt und beruft sich dabei auf das eingangs erwähnte EuGH-Urteil „EURO 2004. Hungary“. Zugleich verlangt es weitere „aussagekräftige Unterlagen und Informationen“, die den angemeldeten Transaktionswert belegen.
Durchaus nachvollziehbar ist die Anforderung weiteren Unterlagen und Informationen, wenn dem Hauptzollamt lediglich eine Handelsrechnung und ggf. ein Überweisungsbeleg vorliegen. Problematisch wird es allerdings, wenn dem Hauptzollamt zusätzlich auch ein Kaufvertrag vorliegt und dennoch begründete Zweifel am angemeldeten Transaktionswert bestehen sollen.
Das Problem, das die Wirtschaftsbeteiligten als Anmelder in diesen Situationen haben, ist, dass eigentlich gar keine weiteren Unterlagen und Informationen vorliegen können als Kaufvertrag, Handelsrechnung und Überweisungsbeleg. Was für weitere Auskünfte und Informationen sollen denn noch vorliegen? In Betracht kommen allenfalls ein Vertragsangebot, Preislisten oder Rechnungen aus früheren bzw. anderen Kaufgeschäften über die Waren der betreffenden Artikelnummer. Häufig erwarten Hauptzollämter auch Zugang zu den Buchhaltungssystemen des Anmelders, um eine konkrete Prüfung vornehmen zu können.
Der Wirtschaftsbeteiligte wird somit häufig in eine von ihm nicht zu erfüllende Beweisnot getrieben. Ein solches Vorgehen der Hauptzollämter erscheint rechtlich sehr zweifelhaft.
EuGH-Urteil „EURO 2004. Hungary“
Um es vorweg klar anzusprechen: Der EuGH hat in seinem Urteil „EURO 2004.Hungary“ nicht entscheiden, dass per se begründete Zweifel am Transaktionswert vorliegen, nur weil die angemeldeten Transaktionswerte im Vergleich zu statistischen Durchschnittswerten ungewöhnlich niedrig sind. Eine solche Lesart ist fehlerhaft und widerspricht dem insoweit klaren Wortlaut des Tenors der Entscheidung.
Der EuGH hat vielmehr entscheiden, dass begründete Zweifel am angemeldeten Transaktionswert vorliegen, wenn dieser im Vergleich zum statistischen Mittel, der bei der Einfuhr vergleichbarer Waren festgestellte Kaufpreis ungewöhnlich niedrig ist, wobei der Zollanmelder auf Nachfrage keine zusätzlichen Belege oder Informationen (Anm.: es lagen nur Rechnung und Überweisungsbestätigung vor) zum Nachweis der Richtigkeit des angemeldeten Transaktionswerts dieser Waren vorgelegt hat. Bei der Auslegung, was der EuGH als ungewöhnlich niedrig ansieht, ergibt sich erst aus der Begründung des Urteils, dass der EuGH ein Unterschreiten des statistischen Durchschnittspreises um mehr als 50 % als ausreichend ansieht, um begründete Zweifel zu rechtfertigen.
Die vom EuGH-Urteil erfasst Situation betrifft also ausschließlich Fälle, in denen
- nur Rechnung und Überweisungsbeleg vorliegen,
- der angemeldete Transaktionswert deutlich unterhalb des statistischen Mittels für die betreffenden Waren liegt (ab 50 %) und
- der Zollanmelder keine weiteren Informationen oder Unterlagen beibringen kann.
Liegen weitere Unterlagen und Informationen als Rechnung und Überweisungsträger vor, die den angemeldeten – wenn auch ungewöhnlich niedrigen Transaktionswert belegen – dann sollten diese der prüfenden Zollbehörde unbedingt zur Verfügung gestellt werden. Hierbei handelt es sich optimalerweise um den Kaufvertrag oder auch Vertragsangebote und Emailverkehr zum Abschluss des Kaufvertrages, sofern er Rückschlüsse auf den Kaufpreis zulässt. Liegen solche Unterlagen und Informationen vor und verbleibt die Zollverwaltung bei ihren begründeten Zweifeln, dürfte es sich um eine rechtswidrige Anwendung des o.g. EuGH-Urteils handeln. Maßgeblich ist jedoch letztlich die Konstellation im Einzelfall.
Bei Beratungsbedarf steht Ihnen Rechtsanwalt Torsten Kühl gerne zur Verfügung:
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