Sollen Waren innerhalb der Europäischen Union geliefert werden, wird in der Regel eine Lieferantenerklärung zum Nachweis über den präferenziellen Ursprung der betreffenden Ware angefordert. Liegt eine solche gültige Erklärung vor, kann der Empfänger die gelieferten Vormaterialien bei seiner Produktion als Vormaterialien mit Ursprung einsetzen und in der eigenen Ursprungskalkulation berücksichtigen. Oder auch auf Basis der Lieferantenerklärung beim Export der gelieferten Ware einen Präferenznachweis ausstellen. Doch wie prüft man die Voraussetzungen für die Ausstellung einer solchen Erklärung in der Praxis? Wir haben für Sie ein Praxisbeispiel vorbereitet.
Beispielsachverhalt:
Ein in der EU ansässiges Unternehmen stellt Motorradbrillen der Position 9004 her. Der Ab-Werk-Preis (AWP) beträgt 35 €. Für die Produktion bezieht das Unternehmen:
- Leder (Position 4107, Wert: 6 €, aus Indien)
- Glas (Position 7002, Wert: 10 €, mit Lieferantenerklärung aus Deutschland)
- Kunststoffgranulat (Position 3901, Wert: 3 €, aus den USA)
- Gewebe aus künstlichen Spinnfasern (Position 5516, Wert: 3 €, aus Bangladesch)
- weitere Vormaterialien mit nachgewiesenem Ursprung in der EU im Wert von 5 €.
Kann bei der Lieferung an einen niederländischen Kunden eine Lieferantenerklärung ausgestellt werden?
Lösung:
Für diese innereuropäische Lieferung kann der Hersteller der Motorradbrillen eine Lieferantenerklärung ausstellen, wenn es sich bei der gelieferten Ware um präferenzielle Ursprungsware der EU handelt. Somit ist auch im Rahmen der Ausstellung einer Lieferantenerklärung eine Ursprungsprüfung durchzuführen.
Hinweis:
Die Herausforderung besteht regelmäßig darin, dass der Hersteller nicht weiß, wohin sein Kunde die Ware zu einem späteren Zeitpunkt exportieren möchte. Und auch der Kunde möchte sich nur ungern einschränken, weshalb in der Regel eine umfassende Lieferantenerklärung angefordert wird. Bei der Ausstellung einer solchen Erklärung ist daher insbesondere der einzutragende Länderkreis mit einem größeren Prüfaufwand verbunden. Denn der Lieferant muss vor der Ausstellung der Lieferantenerklärung nicht nur ein Abkommen, sondern im Regelfall alle Abkommen prüfen, die die EU mit anderen Staaten geschlossen hat. Nur so kann er den zutreffenden Länderkreis für seine Erklärung ermitteln.
Die Motorradbrillen sind nicht vollständig gewonnen oder hergestellt. Daher muss hier die Prüfung der ausreichenden Be- oder Verarbeitung – also der Listenbedingungen – vorgenommen werden.
Für eine möglichst schnelle und dabei umfassende Prüfung empfiehlt sich die Nutzung der Auskunftsdatenbank WuP-Online. Diese wird von der Zollverwaltung zur Verfügung gestellt und soll Sie als Nutzer durch die strukturierte Bereitstellung ursprungsrechtlicher Informationen bei der Anwendung des Präferenzrechts unterstützen. Auf der Startseite können Sie sich eine Gegenüberstellung der Verarbeitungslisten anzeigen lassen.
Hierzu wählen Sie den betreffenden Button in der Navigationsleiste aus und geben anschließend die vierstellige Position der Motorradbrillen ein. Im Anschluss wählen Sie bei den Präferenzregelungen „alle Regelungen“ aus und klicken auf „Suchen“:
Damit Sie die betreffenden Länder bzw. Ländergruppen in Ihrer Lieferantenerklärung eintragen dürfen, müssen die angezeigten Listenbedingungen eingehalten werden. Um Ihre Prüfung so effektiv wie möglich zu gestalten, sollten Sie nach dem sogenannten Worst-Case-Prinzip vorgehen.
Für die Herstellung der Motorradbrillen werden fast ausschließlich Wertgrenzen angezeigt. Die geringste beläuft sich dabei auf 40 % des Ab-Werk-Preises.
Bei der Prüfung der Wertgrenzen ist der Einsatz an Vormaterial ohne Ursprung (VoU) entscheidend. Für die Produktion werden insgesamt VoU im Wert von 12 € (6 € Leder + 3 € Kunststoffgranulat + 3 € Gewebe) eingesetzt. Die Listenbedingungen schreiben im schlechtesten Fall für den Einsatz von VoU eine Wertgrenze von 40 % des AWP und damit bis zu einer Grenze von 14 € – bei der Herstellung einer Motorradbrille vor.Diese Wertgrenze ist eingehalten. Dadurch erfüllen Sie die Listenbedingung. Bei der Motorradbrille handelt es sich also um ein Ursprungserzeugnis der EU.
Hinweis:
Einzelne Länder – wie beispielsweise Kanada, Japan oder auch das Vereinigte Königreich – haben häufig besondere Listenbedingungen vereinbart. Hier muss ggf. eine gesonderte Prüfung erfolgen.
In diesem Beispielsachverhalt ist für die Lieferung nach Kanada ein Positionswechsel vorgeschrieben. Es dürfen bei der Herstellung der Motorradbrille daher nur Vormaterialien ohne Ursprung aus anderen Positionen als 9004 eingesetzt werden. Leder, Kunststoffgranulat und Gewebe sind in andere Positionen im Elektronischen Zolltarif einzureihen. Es wird also auch diese Listenbedingung erfüllt und Kanada kann im Länderkreis der Lieferantenerklärung aufgeführt werden.
Ergebnis:
Der Hersteller der Motorradbrillen kann eine Lieferantenerklärung ausstellen. Im Rahmen des Länderkreises dürfen alle Präferenzländer aufgeführt werden.